26. November 2020

Der Investigativ-Journalist Jon Ossoff aus Georgia will für die Demokraten in den US-Senat einziehen. Eine Stichwahl im Januar entscheidet, ob er den amtierenden republikanischen Senator David Perdue ablösen wird. Im Wahlkampf zeigt sich: Jahre der Fake-News-Attacken von Donald Trump auf die US-Medien haben das Klima vergiftet. 

Katja Ridderbusch · US-Demokrat Jon Ossoff: Aus dem Journalismus in den amerikanischen Senat?

Von Katja Ridderbusch

“I'm Jon Ossoff. And I lead a business that investigates corruption for news organizations worldwide.”

Korruption weltweit aufzudecken – das sei sein Job, sagt Jon Ossoff in einem Wahlkampfspot. Ossoff ist Medienmanager, investigativer Journalist – und einer von zwei demokratischen Kandidaten, die für den Bundesstaat Georgia in den Senat einziehen wollen.

An Georgia hängt die Zukunft der US-Politik: Gelingt es Ossoff und dem afroamerikanischen Pastor Raphael Warnock, bei der Stichwahl am 5. Januar die beiden republikanischen Amtsinhaber zu schlagen, übernehmen die Demokraten die Kontrolle im Senat. Wenn nicht, drohen dem künftigen Präsidenten Joe Biden Stillstand und Blockade.

Ossoff, 33, stammt aus Atlanta, studierte Politikwissenschaft an der renommierten Georgetown University in Washington, DC und an der London School of Economics. 

Ossoff ist ein vertrauter Name in den amerikanischen Medien. 2017 wurde er mit einem Schlag – und weit über Georgia hinaus – bekannt, als er bei einer Nachwahl zum Repräsentantenhaus für einen traditionell konservativen Distrikt in Atlanta antrat, eine Rekordsumme an Wahlkampfspenden einsammelte und mit respektablen 48 Prozent verlor. 

Vom Dokumentarfilmer zum Wahlkampfprofi

Ossoffs Identität als Journalist spiele in der öffentlichen Wahrnehmung indes nur eine untergeordnete Rolle, sagt Karin Assmann, deutschstämmige Journalismus-Professorin an der University of Georgia in Athens. „Ossoff hat über seine Produktionsfirma hauptsächlich als Executive Producer Dokumentationen gemanagt, die bei der BBC oder Al-Jazeera gelaufen sind.“ Investigative Geschichten über Korruption, Betrug, Menschenhandel, bei denen er jedoch nicht als Investigativ-Reporter in Erscheinung getreten sei. 

Allerdings präge seine Erfahrung als Filmemacher seinen Wahlkampfstil, setzt Assmann hinzu. „Er weiß, wie man medial rüberkommt, er hat diese Leichtigkeit, vor der Kamera und vor Menschen zu reden.“  Da klingt er manchmal ein bisschen wie sein Vorbild, der frühere US-Präsident Barack Obama.

“Change has come to Georgia. Change is coming to America. And retirement is coming for Senator David Perdue.” 

In einer TV-Debatte im Oktober redete Ossoff seinen Gegner, den republikanischen Senator David Perdue, derart eloquent nieder, dass dieser sich seither weigert, mit Ossoff zu debattieren. 

Sein Hintergrund als Journalist sei aber bei unentschlossenen Wählern – und ganz bestimmt bei seinen politischen Gegnern – ein Nachteil, meint Medienexpertin Assmann – „weil Journalisten in den USA nicht per se die Guten sind. Journalist zu sein – damit verdient man sich hier keinen Orden.“ 

Und so wird auch der aktuelle Kampf um die Stichwahl mit viel Eifer und Schmutz geführt.

„Jon Ossoff. A trail of dirty money. Ossoff ignored the rules, hiding cash from communists and terrorist sympathizers ...”

Wahlkampfspots der Republikaner zeichnen Ossoff als geldgierigen Sympathisanten von Kommunisten, Marxisten und Terroristen, mit dem der Umsturz in den konservativen Südstaat komme.

Ossoff gegen Perdue erinnert an Kennedy gegen Nixon

Dass Ossoff als progressiver Politiker, aber auch als Medienmann viel Hass auf sich zieht, korrespondiere mit einem breiteren Trend, sagt Assmann. Die Fake-News-Attacken von Donald Trump auf die US-Medien hätten zu einer Neuausrichtung journalistischer Werte geführt. Da sei zum Beispiel „diese Norm, immer objektiv zu sein, nie Partei zu ergreifen“. 

Assmann erinnert an den Moment nach der Wahl, als Trump zum ersten Mal vor die Kameras trat und verschiedene Nachrichtensender, darunter auch Fox News, abgeschaltet hätten. „Sie haben gesagt: Das können wir so nicht mehr senden, weil es einfach nicht wahr ist.“ 

Assmann ist überzeugt: Jon Ossoff, der sich mühelos zwischen digitalen und analogen Formaten bewegt, hat der amerikanischen Medienlandschaft bereits jetzt seinen Stempel aufgedrückt – und muss einen historischen Vergleich nicht scheuen.  

Die Journalismus-Professorin fühlt sich an die TV-Debatten zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy während des Präsidentschaftswahlkampfs 1960 erinnert – „als Nixon vor der Kamera anfing zu schwitzen und Kennedy frisch und ausgeruht daherkam. Das war der Anfang der TV-Debatten in der US-Politik“. 

Ob Ossoff an Kennedys Erfolg anknüpfen kann, ist ungewiss. Doch für den Moment gibt er sich kämpferisch.

„Hey, Senator Perdue, I’m ready to debate. Come out to a public forum. Let’s hear your vision for this state.”

 

© Deutschlandfunk / Katja Ridderbusch – Foto: AJC