04. August 2021
An der Ostküste der USA gehören Hurrikans und Hochwasser zur traurigen Routine. Beim Katastrophenschutz und Wiederaufbau arbeiten Staat und Privatwirtschaft Hand in Hand. Pannen gibt es trotzdem, vor allem bei der Kommunikation
Von Katja Ridderbusch
Die große Flut in Deutschland und Belgien – Bilder, die auch jenseits des Atlantiks über die TV-Bildschirme flimmerten.
Dabei haben die USA eine traurige Routine beim Umgang mit Naturkatastrophen, seien es Waldbrände, Hurrikans oder Hochwasser. Und Routine auch beim Wiederaufbau.
„Das ist eine wohl-geölte Maschinerie“, sagt Lee Mayfield von Hagerty Consulting, einer Beratungsagentur für Katastrophenschutz in Washington, DC.
Bundesstaat, Einzelstaaten, Städte und Kommunen, aber auch NGOs wie das Rote Kreuz, außerdem Krankenhäuser, Energieversorger, Baufirmen und Versicherungen arbeiteten bei Frühwarnung, Nothilfe und Wiederaufbau eng zusammen.
Gründliche Vorbereitung sei die Basis, sagt Mayfield – vor allem mit Wetterwarnsystemen. Das Ingenieurs-Corps der US-Armee führt eine interaktive Karte mit flutgefährdeten Gebieten, die ständig aktualisiert wird. Eine Wetteraufklärungsstaffel der US-Luftwaffe – genannt Hurricane Hunters, Hurrikan-Jäger, fliegt mit Hightech-Flugzeugen ins Auge der Wirbelstürme und sendet aktuelle Daten.
Die USA nutzen den Cell Broadcast, eine Art digitale Sirene: Mobilfunknutzer in Gefahrengebieten bekommen automatisch per SMS Warnmeldungen.
Auch für den Wiederaufbau gibt es fest eingefahrene Strukturen. Sobald der Präsident oder der Gouverneur eines betroffenen Bundesstaates den Notstand ausgerufen hat, geben staatliche Agenturen Hilfsgelder frei, erklärt Ken Keen, Dozent für Krisenmanagement an der Emory-Universität in Atlanta.
„Wir haben die nationale Katastrophenschutz-Behörde FEMA. Sie stellt finanzielle Unterstützung für Aufräumarbeiten und die Instandsetzung der öffentlichen Infrastruktur bereit“, sagt Keen – für Straßen, Brücken, Stromnetze oder Wasserleitungen. „Dabei sind öffentlich-private Partnerschaften besonders wichtig.“
Versicherungen spielen beim Wiederaufbau eine Schlüsselrolle. Da sind zum einen staatliche Flutversicherungen – abgewickelt über FEMA. Der Vorteil: Sie sind verpflichtet, jeden zu versichern, auch Besitzer von Immobilien in Hochrisikogebieten. Allerdings liegt die Obergrenze für die Auszahlung im Schadensfall bei nur 250,000 Dollar für Privathäuser und 500,000 Dollar für Gewerbe.
Kavin Smith ist Versicherungsmakler und Partner in der Agentur „Sterling Seacrest Pritchard“ in Savannah, einer Küstenstadt im Bundesstaat Georgia.
„Die Erstattung bei den staatlichen Versicherungen ist begrenzt“, sagt er. „Sie ersetzen nicht den Neubauwert – sondern nur den aktuellen Verkehrswert einer Immobilie, der in der Regel deutlich niedriger liegt.“ Bei Geschäftskunden deckt das staatliche Programm außerdem nicht den Einnahmeverlust ab.
Private Policen versichern zwar höhere Summen, schließen aber Inhaber von Immobilien in besonders gefährdeten Gebieten – direkt an der Küste oder an Deichen beispielweise – von der Abdeckung aus. Außerdem sind Prämien und Selbstbehalt hoch.
Er habe einen Geschäftskunden in Savannah, dessen Prämie für die Hochwasser-Versicherung lange Zeit bei 7,000 Dollar im Jahr lag, sagt Smith. Im Juli lief der Vertrag aus, die neue Prämie liegt bei 24,000 Dollar im Jahr.
Das mag ein Grund dafür sein, dass die Versicherungsbereitschaft in den USA eher gering ist, selbst in Gebieten, die regelmäßig von Sturmfluten heimgesucht werden.
So haben nur 15 Prozent aller Privathaushalte in Houston, Texas eine Hochwasserversicherung – obwohl die Ölmetropole regelmäßig überflutet wird.
„Manche Leute können sich eben keine Versicherung leisten“, sagt Smith, „oder sie spielen auf Risiko, nach dem Motto: Mir wird schon nichts passieren – bis es dann doch passiert.“
Viele Banken verlangen den Nachweis einer Hochwasserversicherung, wenn sie eine Hypothek ausstellen. Aber eine allgemeine Versicherungspflicht, wie sie in Deutschland diskutiert wird, sei in den USA nicht durchsetzbar, so Smith weiter.
Die größte Herausforderung, in Deutschland wie in den USA, beim Katastrophenschutz wie beim Wiederaufbau, sei eine gute Kommunikation, sagt Krisenmanagement-Experte Keen.
Dazu gehöre eine umfassende Nutzung von Wetter-Warntechnologie. Aufklärung darüber, wie wichtig Versicherungen seien. Und Krisenreaktionspläne in den Kommunen, die den Bürgern „klare und konkrete Anweisungen geben, worauf, wann und wie sie sich vorzubereiten haben“.
© Deutschlandfunk/Katja Ridderbusch