20. Januar 2020
Die Welt der Spione hat Autoren seit jeher fasziniert. Vor allem weibliche Geheimagenten stehen hoch im Kurs. In diesen Trend passt das Buch „Life Undercover“. Die ehemalige CIA-Geheimagentin Amaryllis Fox beschreibt darin den Kampf gegen den Terror und ihre eigene Entwicklung zur Friedensaktivistin.
Von Katja Ridderbusch
Amaryllis Fox schaut manchmal gerne James-Bond-Filme. Die wilden Verfolgungsjagden durch schmale Gassen in extravaganten Autos. Die waghalsigen Sprints über Häuserdächer, der pompös choreografierte Feuerzauber.
Mit der Realität des Agentenlebens habe das allerdings wenig zu tun. „Agenten lernen, langweilig zu sein, nicht aufzufallen“, sagt Amaryllis Fox bei einer Podiumsdiskussion in San Francisco.
„Gymnastik auf Häuserdächern und spektakuläre Schießduelle seien dabei kontraproduktiv. Es gehe darum, so öde wie möglich daherzukommen.“
Amaryllis Fox weiß, wovon sie spricht. Acht Jahre lang – von 2002 bis 2010 – arbeitete die heute 39-Jährige für die CIA, den amerikanischen Auslandsgeheimdienst. Zuerst als Analystin und dann als Geheimdienstagentin in der Terrorismusabwehr. Über ihr Leben als Agentin hat sie jetzt ein Buch geschrieben: Life Undercover.
Ihre Geschichte – befindet die „New York Times“ – lese sich wie eine Mischung aus einem John-le-Carré-Thriller und „Eat, Pray, Love“, dem Selbstfindungsoman der amerikanischen Autorin Elizabeth Gilbert.
Tatsächlich kennzeichnet Fox die Arbeit von Geheimagenten auf eher unkonventionelle Weise: „Auch die Operativen der CIA verlieren manchmal ihr Leben. […] Doch die Gefahr, der wir uns aussetzen, ist eine andere. Es ist unsere Deckung, nicht unser Waffenarsenal, die uns davor bewahrt, getötet zu werden. Wir wünschen uns das Vertrauen unserer Gegner, nicht ihren Skalp.“
Angeheuert von der CIA
In ihrem Buch verwebt Amaryllis Fox ihre persönliche Geschichte mit einer detaillierten Beschreibung ihrer Ausbildung und ihrer Einsätze. Die Tochter eines amerikanischen Wirtschaftsprofessors und einer britischen Schauspielerin zog häufig um, lebte in New York, Washington und London, in Marokko und Moskau. Nach der High School arbeitete sie einige Monate mit Menschenrechtsaktivisten in Thailand und Birma.
Anschließend studierte sie internationale Politik in Oxford und an der Georgetown University in Washington. Für ihre Master-Arbeit sammelte sie Daten von weltweiten Terrorangriffen aus 200 Jahren, identifizierte Muster und entwickelte einen Algorithmus, mit dessen Hilfe sich die Wahrscheinlichkeit von terroristischen Anschlägen vorhersagen lässt.
„Wenn sich das Verhältnis von Shisha-Bars zu Koranschulen in einer Gegend zu schnell verändert, kann das ein Zeichen für eine tiefgreifende soziale Verschiebung sein, von einer offenen und liberalen zu einer religiös konservativen Gesellschaft – oder umgekehrt.“
Die CIA wurde aufmerksam und heuerte sie an. Fox durchlief ein rigoroses Training, lernte, wie man Verfolger abschüttelt, Schusswaffen benutzt, mit Informanten kommuniziert, Folter übersteht und: wie man sich umbringt, wenn man in Gefangenschaft gerät. Nach der Ausbildung begann sie, als NOC zu arbeiten, als Non-Official Cover, Geheimagentin ohne diplomatischen Schutz.
Ihr Auftrag: Terrornetzwerke in Asien und im Nahen Osten zu infiltrieren und zu verhindern, dass schmutzige Waffen und nukleares Material in die Hände von Al-Qaida und anderen Terrorgruppen gerät.
2007 zog sie mit ihrem damaligen Mann, ebenfalls einem CIA-Agenten, und getarnt als Kunsthändlerin nach Shanghai. Ihre Wohnung wurde vom chinesischen Geheimdienst überwacht, und die CIA überwachte ihrerseits die Überwacher. Das Agentenpaar solle sich so normal wie nur möglich benehmen, lautete die Anweisung aus der CIA-Zentrale:
„Wir sollten regelmäßig Sex haben, aber nicht zu häufig. Heißen Sex, aber nicht zu heiß. Wir sollten rund um die Uhr ein Privatleben führen, das unseren Überwachern signalisiert, dass wir rein gar nichts über eine eventuelle Überwachung wissen.“
Packendes Buch mit Hollywoodpotential
Höhepunkt ihres Einsatzes – und Kulminationspunkt des Buches – war ein geheimes Treffen mit den Führern einer Al-Qaida-Zelle in Pakistan, die offenbar einen Anschlag plante. So plastisch beschreibt die Autorin die Szene, dass der Leser die Hitze, den Staub und die Spannung im Raum beinahe körperlich spürt.
Der Haken: Das Treffen hat so möglicherweise nie stattgefunden. Mehrere CIA-Offiziere zweifeln den Wahrheitsgehalt von Fox‘ Darstellung an; der Geheimdienst hätte niemals eine Agentin alleine zu einem solchen Treffen geschickt, sagen sie. Fox erwidert: Sie habe auf Anweisung der Behörde in ihrem Buch operative Details, Orte und Personen verschleiert.
Egal. Amaryllis Fox‘ packendes Buch über ihr Leben als Undercover-Agentin hat in jedem Fall Hollywoodpotential, wenn auch nicht im Stil eines klassischen Spionage-Thrillers. Apple hat sich bereits die Rechte für eine Serie gesichert.
Amaryllis Fox arbeitet heute als Friedensaktivistin und Fernsehmoderatorin. Sie lebt in Los Angeles, hat zwei Töchter und ist nach zwei gescheiterten Ehen mit dem Regisseur Bobby Kennedy III. verheiratet, Enkel des ehemaligen Senators Robert Kennedy und Großneffe von Präsident John F. Kennedy.
Da passt alles – auch die Überlegungen der Autorin zur Rolle von Frauen als Geheimdienstagenten. Mit Rollen und Rollenspielen kennt sie sich schließlich aus.
„Im Kino sind weibliche Agenten ja oft Femme-Fatale-Archetypen, die in kniehohen, hochhackigen Stiefeln Türen eintreten. Aber tatsächlich sind genau die Ansätze der Problemlösung, die Eigenschaften, die wir mit dem Femininen in uns allen verbinden – emotionale Intelligenz, Intuition und Multitasking zum Beispiel – besonders wichtig für einen Geheimdienstoffizier. Und deshalb sind Frauen für diese Arbeit ganz besonders geeignet.“
Amaryllis Fox: „Life Undercover. Als Agentin bei der CIA“,
Verlag Hanserblau, 368 Seiten, 20 Euro.
© Deutschlandfunk / Katja Ridderbusch