21. August 2020

Krankenhäuser in ländlichen Regionen der USA gehören zu den Verlierern der Corona-Krise; viele sind insolvent. Telemedizin soll die Versorgungslücken schließen. Doch es gibt auch Gewinner: Krankenversicherungen konnten ihre Gewinne verdoppeln.

Katja Ridderbusch · Covid 19 in den USA: Krankenhäuser schließen, Krankenversicherungen profitieren

Von Katja Ridderbusch

Jimmy Lewis erinnert sich genau an den Tag Mitte April, als er in einer Telefonkonferenz mit den Geschäftsführern mehrerer Krankenhäuser saß.  Die Krankenhauschefs berichteten, dass sie zahlungsunfähig seien, sagt Lewis. Sie wüssten nicht, was sie tun sollten, Patienten kämen weiter.

Lewis ist Vorstand von Hometown Health, einem Verband von kleinen Krankenhäusern und Landärzten im US-Bundesstaat Georgia.

Krankenhäuser und Arztpraxen in ländlichen Regionen der Vereinigten Staaten zählen zu den Verlierern der Covid-19-Pandemie. Mehr als 40 Krankenhäuser mussten seit Jahresbeginn schließen.

Die Pandemie wurde zum perfekten Sturm

Krisengeschüttelt waren diese Krankenhäuser schon vor Corona. Der Wegzug der Menschen in die Städte, der Ärztemangel auf dem Land, die Übernahme kleiner Krankenhäuser durch große Klinikzentren – all das befördert das rasante Krankenhaussterben in den USA.

"Diese fragilen Krankenhäuser operieren mit einem sehr schmalen Betriebseinkommen", sagt Bill Custer, Gesundheitsökonom an der Georgia State University in Atlanta im Videocall. Viele hätten wohl ohnehin schließen müssen, "aber Covid war der Sargnagel."

Die Pandemie mit ihren ökonomischen Kollateralschäden wurde zum perfekten Sturm. Zunächst hätten die Krankenhäuser alle nicht-dringenden Operationen gestrichen, sagt Lewis. Damit sei ihnen die Haupteinnahmequelle weggebrochen. 

Zugleich mussten sie Intensivbetten und Fachpersonal für den erwarteten Anstieg der Infektionen bereithalten. Der erreichte das ländliche Amerika zeitverzögert, aber mit Wucht.

Ein Rettungspaket von 175 Milliarden Dollar, die die Regierung für Krankenhäuser und Arztpraxen bereitstellte, brachte kurzfristige Erleichterung. Doch spätestens im Herbst seien auch diese Hilfegelder aufgebraucht, sagt Lewis. "Und ein Ende der Pandemie ist nicht abzusehen."

Krankenkassen konnten Gewinne verdoppeln

Aber es gibt auch Gewinner der Corona-Krise im amerikanischen Gesundheitssystem, darunter die privaten Krankenkassen. Versicherungsunternehmen wie Anthem, Humana und United Healthcare konnten ihre Gewinne im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln.

 Die Menschen gingen seltener zum Arzt, sagt Gesundheitsökonom Custer. Krankenkassenleistungen würde weniger in Anspruch genommen, doch die Beiträge seien unverändert.

Zwar kämen jetzt die Kosten für Covid-Behandlungen hinzu, doch die seien insgesamt eher gering im Vergleich zu Hüftersatz, Wirbelsäulenversteifungen oder Herzklappen-OPs.

Allerdings:  Viele Versicherungen fürchteten, dass die Nachfrage nach den aufgeschobenen medizinischen Leistungen demnächst hochschnellen werde, sagt Custer. "Und verzögerte Behandlungen bedeuten langfristig: höhere Kosten."

Telemedizin bedarf umfassender Investition

Jimmy Lewis geht davon aus, dass auf dem Land noch mehr Krankenhäuser schließen – und dadurch mehr medizinische Versorgungswüsten entstehen – Regionen, in denen es im Umkreis von 200 oder 300 Kilometern kein Krankenhaus gibt. 

Abhilfe schaffen könnten neue Modelle - zum Beispiel freistehende Notfallambulanzen oder eine bessere Infrastruktur für die Telemedizin, finanziell unterstützt durch den Staat. Vor allem in die Telemedizin setzt Lewis große Hoffnungen. Doch die Voraussetzungen dafür seien leistungsfähige Internetverbindungen – und die sind in ländlichen Regionen der USA häufig noch rar.

Am Ende hänge die Rettung des Gesundheitswesens vom politischen Willen ab, sagt Bill Custer.

Selbstverständlich könne sich das Land eine gewaltige Investition in das Gesundheitssystem leisten, meint der Ökonom. Die Schuldenquote sei heute nicht annähernd so noch wie im Zweiten Weltkrieg. "Die Frage ist  also vielmehr: Will sich das Land eine solche Investition leisten?"

© Deutschlandfunk / Katja Ridderbusch