02. Januar 2021

Vor 50 Jahren trat in den USA das Tabakwerbeverbot für Funk und Fernsehen in Kraft. Seither ist der Zigarettenkonsum rückläufig. Doch der Vaping-Trend, soziale Medien und Streaming-Dienste befördern ein Comeback der Zigarette und erschließen Tabakherstellern neue Märkte. 

Katja Ridderbusch · Abschied vom Marlboro-Mann: Das Tabakwerbeverbot vor 50 Jahren in den USA

Von Katja Ridderbusch

“Come to where the flavor is. Come to Marlboro Country.“ 

Der Marlboro-Mann kämpft sich auf seinem Pferd durch Wind, Staub und über Steingeröll; Lasso und Zigarette sind seine Begleiter. Eine globale Werbeikone seit den 1950er Jahren.

Doch am 2. Januar 1971 musste sich der Marlboro-Mann, zusammen mit den Kollegen von Camel, Chesterfield und Lucky Strike, verabschieden – zumindest von den Fernsehbildschirmen der Amerikaner und damit von seinem größten Publikum. 

An diesem Tag trat in den USA der „Public Health Cigarette Smoking Act“ in Kraft – das Tabakwerbeverbot für Funk und Fernsehen. 

Das Gesetz sei ein wichtiger Wendepunkt auch in der öffentlichen Gesundheitspolitik der USA gewesen, sagt Ruth Malone, Professorin für Public Health an der University of California in San Francisco.  Damit habe sich die US-Regierung zum ersten Mal klar gegen die Tabak-Lobby positioniert – und die sei enorm mächtig, bis heute.

Zigaretten zur Förderung der Kriegsmoral

Zigarettenwerbung gebe es, seit Zigaretten maschinell hergestellt würden, sagt Jagdish Sheth, Wirtschaftswissenschaftler an der Emory-Universität in Atlanta. Doch es waren vor allem zwei Ereignisse, die den weltweiten Zigarettenkonsum und damit auch die Zigarettenwerbung ankurbelten.

„Während des Ersten und besonders während des Zweiten Weltkriegs wurde das Rauchen von Zigaretten massiv gefördert“, so Sheth. Die Regierungen der USA und anderer Staaten hätten die Soldaten mit Zigaretten versorgt, um die Kriegsmoral zu heben. „Und als der Krieg vorbei war, waren die Soldaten abhängig.“

Zugleich wurde seit den 1950er Jahren das Fernsehen zu einem immer mächtigeren Medium, das auch die Tabakhersteller systematisch nutzten, sagt Vaughan Rees, Verhaltenspsychologe an der Harvard University in Boston. Mithilfe der Werbung hätten Tabakhersteller im Verlaufe des 20. Jahrhunderts in mehreren Wellen neue Märkte erschlossen. Zuerst für den Mann: Da wurde das Rauchen zum Sinnbild rauer, markiger Männlichkeit, sagt Rees. Später für Frauen: „Da symbolisierten Zigaretten Klasse, Unabhängigkeit und erlesenen Geschmack.“

Soziale Proteste und Gesundheitsaufklärung bringen die Wende

Doch Mitte der 1960er Jahre endete der Siegeszug der Zigarette. Zum einen, weil Bundesstaaten wie North Carolina, in denen traditionell Tabak angebaut wird, ihre Wirtschaft immer stärker von der Landwirtschaft auf Industrieproduktion umstellten, sagt Ökonom Sheth. „Hinzu kamen der Vietnamkrieg, die sozialen Unruhen und die Proteste in den USA. Die öffentliche Meinung wandte sich zunehmend gegen Großkonzerne und Lobbyismus – und damit gegen die Zigarettenhersteller.“

Schließlich begann auch die Aufklärung über die Risiken des Rauchens zu greifen. 1964 veröffentlichte der Leiter des US-Gesundheitsdienstes einen bahnbrechenden Bericht über die Folgen des Rauchens, von Krebs bis zu Herz-Kreislauferkrankungen.  1967 verfügte dann die amerikanische Rundfunk-Kommission, dass öffentliche Gesundheitsorganisationen kostenlos Anti-Zigaretten-Kampagnen senden durften. Zum Beispiel ein Spot über Cowboys mit Raucherhusten, produziert von der Amerikanischen Krebsgesellschaft.

Das Tabakwerbeverbot, beschlossen 1970, beförderte diese Trendwende. Zwischen 1964 und 2019 sank der Anteil der Zigarettenraucher in den USA von 42 auf 14 Prozent. Dennoch: Tabakprodukte bleiben eine riesige Gefahr, warnen Gesundheitsexperten. Eine Gefahr, die getrieben wird von neuen Produkten, neuen Werbeplattformen und neuen Zielgruppen.  

Ruth Malone ist besorgt über die steigende Nachfrage nach E-Zigaretten, besonders bei Jugendlichen. Mit dem Vaping werde eine neue Generation von Nikotin abhängig gemacht – Menschen, die dann später häufig auf konventionelle Zigaretten umsteigen.

Tabakwerbung nimmt ethnische Minderheiten ins Visier

Das Internet, vor allem soziale Medien bieten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für Tabakwerbung, sagt Malone, weil es ein weitgehend unregulierter Raum sei, zumindest in den USA – „der neue Wilde Westen“.  Über Streaming-Dienste wie Netflix erlebten außerdem konventionelle Zigaretten ein Comeback, sagt Malone – „als eine Art Retro-Accessoire“ in vielen Kult-Serien.

Zwar ist der Zigarettenkonsum in den USA insgesamt rückläufig. Doch Vaughan Rees gibt zu bedenken: Bei Menschen aus unteren Einkommensgruppen liegt der Raucheranteil bei 30 bis 35 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. 

Tabakkonzerne nähmen diese verwundbaren sozialen Gruppen, vor allem ethnische Minderheiten, gezielt für ihre Marketingkampagnen ins Visier. „Zum Beispiel mit Werbespots, die über Hip-Hop und Rap junge Afroamerikaner ansprechen“, sagt Rees. Oder über Geschäfte, die mit Rabatten auf Zigaretten Kunden locken und wo Tabakprodukte großzügig in den Schaufenstern ausliegen – „vor allem in den ärmeren Wohngegenden“.

Auch deshalb, sagt Rees, sei eine Aktualisierung des „Public Health Cigarette Smoking Act“ ­– 50 Jahre nach seinem Inkrafttreten - dringend geboten.

© Deutschlandfunk / Katja Ridderbusch