09. Januar 2021
Bei der Senats-Stichwahl im US-Bundesstaat Georgia setzten sich die beiden demokratischen Kandidaten durch – während in Washington das Kapitol im Chaos versank. Ein Stimmungsbericht aus Atlanta.
Von Katja Ridderbusch
Die Siegesparty währte nicht lange, die Fernsehberichte über jubelnde Demokraten, die im Autokorso durch Atlanta fuhren, wurden schnell von anderen, düsteren Bildern überlagert.
Es war ein seltsamer Moment der Gleichzeitigkeit: Während ein wütender Mob von Trump-Anhängern das US-Kapitol in Washington stürmte, vermeldeten TV-Sender den Demokraten Jon Ossoff als zweiten Gewinner der Senats-Stichwahl in Georgia. Diese Stichwahl hatte dem Südstaat seit Wochen nationale und internationale Aufmerksamkeit beschert.
Raphael Warnock, der andere Demokrat im Rennen, stand schon am frühen Mittwochmorgen als Gewinner fest. Der Doppelsieg in Georgia sichert den Demokraten die Kontrolle im US-Senat. Bereits im November war Georgia zum Swing State geworden, als der Staat erstmals seit 28 Jahren für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten stimmte.
„Das verbindende Gewebe ist Donald Trump.“
Die beiden frisch gewählten Senatoren reagierten in Statements auf die Ereignisse in Washington. Ossoff forderte die Republikaner auf, sich ein für alle Mal von Trump loszusagen. Warnock zitierte den Bürgerrechtler Martin Luther King: „Hass kann Hass nicht vertreiben.“
Unter den fünf Toten der Ausschreitungen am Kapitol war eine Trump-Anhängerin aus Georgia. Auch mehrere der Festgenommenen kommen aus Georgia.
Die Stichwahl in Georgia und die Gewaltexplosion in Washington: Das seien zwei Ereignisse, die zusammenhängen, sagt Charles Bullock, Politikwissenschaftler an der University of Georgia in Athens im Gespräch per Videochat.
„Das verbindende Gewebe ist Donald Trump.“ Trump habe mit seinem Trommelfeuer aus Lügen über vermeintlichen Wahldiebstahl und ein korruptes Wahlsystem, aus Beleidigungen und Drohungen gegenüber angeblich illoyalen Parteigenossen den Boden bereitet, sagt Bullock – für die Wahlniederlage der Republikaner in Georgia ebenso wie für den Sturm auf das Kapitol.
Gabriel Sterling ist der oberste Wahlleiter von Georgia und ein konservativer Republikaner. Er ist seit Wochen Zielscheibe für Trumps Hasstiraden – weil er nicht das Wahlergebnis lieferte, das Trump wollte.
Auch Sterling sagt: „Die Verantwortung für die Niederlage der Republikaner bei der Stichwahl gehe zu einem großen Teil auf Trumps Konto.“ Trump habe einen Bürgerkrieg innerhalb der Republikanischen Partei entfesselt.
Trump-Loyalisten in Georgia setzen sich ab
Georgias Gouverneur Brian Kemp war ein unerschütterlicher Trump-Loyalist – bis zu dem Tag, als die Bürger seines Bundesstaates für Joe Biden stimmten – und er bei Trump in Ungnade fiel.
“That has been a disgrace and quite honestly, un-American.”
Kemp verurteilte die Aufrührer in Washington, vermied es aber, Trump als Verantwortlichen beim Namen zu nennen.
Auch die republikanische Noch-Senatorin aus Georgia, Kelly Loeffler, stand bis zum letzten Wahlkampfauftritt an Trumps Seite, echote seine Verschwörungstheorien. Sie hatte angekündigt, am Mittwoch bei der Sitzung des Kongresses Einspruch gegen das Wahlergebnis zu erheben – bei jener Sitzung, die für einige Stunden im Chaos versank.
Aber angesichts von Gewalt und Gesetzlosigkeit habe sie es sich anders überlegt, sagte sie. Loefflers Demut komme zu spät, hieß es am Tag danach in einem Leitartikel der „Atlanta Journal-Constitution“.
In Atlanta blieb es am Mittwoch und auch danach weitgehend ruhig. Etwa 100 Trump-Anhänger zogen vor das Kapitol von Georgia, einige waren bewaffnet, viele trugen Konföderiertenfahnen.
Gouverneur Kemp erwartet nicht, dass in seinem Staat in nächster Zeit Gewalt ausbreche, sagte er. Aber die Nationalgarde von Georgia hat er trotzdem aktiviert, zur Sicherheit.
© Deutschlandfunk / Katja Ridderbusch